Jugend musiziert: Hervorragende Leistungen auch beim dritten Preisträgerkonzert
- Dienstag, 07. März 2023 20:32
- Von Christine Gehringer
„Jugend musiziert“, vor 60 Jahren erstmals ausgetragen, ist zweifellos ein Erfolgsmodell: Kaum eine professionelle Karriere ist heutzutage denkbar, ohne hier reüssiert zu haben. Der Wettbewerb sei eine „Bühne“, so betonte Marie-Susan Weber (Landesmusikrat Baden-Württemberg) beim dritten Preisträgerkonzert im Rahmen des Regionalwettbewerbs. Doch ebenso wichtig sei die Möglichkeit, sich einer Fachjury vorzustellen und „Feedback von den Profis“ zu bekommen, dabei Netzwerke zu schaffen und sich gegenseitig auszutauschen: So gebe es gerade beim Kammermusikwettbewerb den Willen, voneinander zu lernen und sich zu anspornen zu lassen. Über die Jahre ist der Wettbewerb enorm gewachsen: Anfangs verzeichnete man beim Bundeswettbewerb 100 Teilnehmer, 2022 waren es 2312.
Der Regionalwettbewerb Karlsruhe-Stadt wird außerdem durch das Badische Staatstheater begleitet: Im Kleinen Haus durften sich die jungen Preisträgerinnen und Preisträger bei einer Matinee präsentieren. Es sei „schön und beglückend“, so Ilka Fritsch, Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros, dass hier „Karrieren begründet“ würden und dass viele dem Wettbewerb treu blieben. Klavierprofessorin Sontraud Speidel, Vorsitzende des Regionalausschusses, lobte dabei die Leistungsfähigkeit der zum Teil noch sehr jungen Künstlerinnen und Künstler, bei denen das Üben bereits zum „Lebensrhythmus“ gehöre: „Frau Musica“, so Speidel, sei „sehr fordernd“. Sie verlange Konzentration, Zeit und Geduld – belohne dies aber mit Freude und Erfüllung.
„Sie hören jetzt die besten Nachwuchsmusiker unserer Stadt!“ versprach die Pädagogin, und das war keinesfalls übertrieben: Diejenigen, die mit ersten Preisen bedacht worden waren und ihr Können in den Kategorien Klavier, Harfe, Gesang und Streichensemble zeigten – sie bewiesen ein staunenswertes Gespür für musikalische Verläufe und präsentierten sich technisch äußerst versiert. So zum Beispiel Sarah Hanyue Wang in der Sonate cis-moll op. 7 von Carl Czerny: Die Schülerin spielt das „Prestissimo agitato“ mit der gebotenen Dramatik und mit runden Läufen und Akkorden. Gleiches gilt für Yiyi Cao, der in Haydns „Scherzo“ (Hob. XVI:9) und einem „Kleinen Lied“ (op. 27) von Dmitri Kabalewski einerseits mit Kraft und Klarheit, andererseits mit lyrischen Qualitäten überzeugt. Mit Leichtigkeit und ausgesprochen schöner Phrasierung gelingt Rosa Löffler die „Allemande“ aus Bachs französischer Suite Nr. 5., und auch bei Lucius Wang ist Bach (das Präludium und die Fughetta G-Dur) in guten Händen: Der junge Künstler gestaltet die Stimmen federnd, differenziert und souverän. Selbstbewusst setzt sich Ella Friederike von Rudloff mit einem Zeitgenossen auseinander – mit Helmut Lachenmanns „Hänschen klein“, während Ih-Ruhn Katharina Jung ebenfalls mit Klarheit und Präzision überzeugt: Die Sechzehntel-Staccati in „Le petit ane blanc“ von Jacques Ibert kommen wie ein Uhrwerk. Danach staunt man über Luise Bold und ihre vitalen Läufe, ihre weiche Melodik in der Sonatine C-Dur (3. Satz) von Aram Chatschaturjan.
Bei Julia Maui Oberdorf glitzern zarte Figuren im Diskant („Die Blumen der kleinen Ida“ von Sergej Bortkiewicz); markant und gestochen scharf präsentiert Eren Parmakerli Mozarts „Alla turca“ aus der Sonate KV 331. Die Sanglichkeit in der Musik von Frédéric Chopin (in seiner Etüde f-moll op. 25,2) bringt Clara Wißmann fabelhaft zum Ausdruck, und das Cello-Duo Lukas Kessler und Corylus Wolff zeigt im Duett G-Dur op. 156 von Friedrich August Kummer ein gutes Gespür für das Musizieren im Ensemble.
Große technische Reife beweist Julius Dehnen mit behänden Läufen in Béla Bartóks anspruchsvoller „Suite for Piano“ op. 14; lyrisch, weich und elegant spielt Andromache Kammenos „Caprices de la mer“ von Sergej Bortkievicz, und auch Ihor Panchenko durchdringt Bachs Präludium und Fuge h-moll aus dem „Wohltemperierten Klavier" (II) mit Klarheit und großem Können. Rhythmisch pointiert spielt Zhiting Wang Alberto Ginasteras „Danza del gaucho matrero“; die Verbindung aus rhythmischer Markanz und weichen Bögen gelingt Georg Schäfer in der teils jazzig anmutenden Konzertetüde („Toccatina“) von Nikolai Kapustin. Felicia Kraft überzeugt an der Harfe in der Ballade c-moll von Jacques Ibert mit zarten Figuren, und aufhorchen lassen auch die beiden Sopranistinnen Alma Unseld („Aquaralles“ von Claude Débussy) und Katharina Bierweiler („Dein blaues Auge“ von Johannes Brahms): Sie begeistern mit feiner Stimmführung und mit reifer Musikalität. Begleitet werden sie ebenso empfindsam von Hana Kang und Lisa Golovnenko. Ein keckes, munter parlierendes Bläsertrio (Anna Mai Johannsen und Sophie Zelt, Oboen und Charlotte Mac-Carty, Englischhorn) beendet den vergnüglichen Vormittag mit „Luckbarrow Dance“ Nr. III von Paul Reade. (Hinweis: Der Landeswettbewerb findet vom 22. bis 26. März in Künzelsau statt).
Ein Abend mit spannenden Entdeckungen
- Montag, 06. März 2023 18:42
- Von Christine Gehringer
"Mendelssohn Plus": Das BuschKollegium musizierte in der Landesbibliothek und förderte Raritäten zu Tage
Das Karlsruher BuschKollegium, hier in der Besetzung mit Bläsern, Cello und Singstimme, beim Konzert in der Badischen Landesbibliothek (Foto: Gehringer)
Was kommt dabei heraus, wenn man ein unbekanntes Frühlingslied von Felix Mendelssohn Bartholdy zum Ausgangspunkt seiner Programmplanung nimmt? Das Karlsruher BuschKollegium, das seit rund zehn Jahren besteht und sich in wechselnder Besetzung immer wieder die Raritäten des Kammermusik-Repertoires vornimmt, wusste das anfangs vermutlich selbst nicht so genau. Doch schließlich entstand ein origineller und recht unterhaltender Abend, der - mit „Mendelssohn Plus“ überschrieben - vor kurzem in der Badischen Landesbibliothek zu hören war.
Lamentatio - ferne Klagelieder
- Montag, 06. März 2023 11:30
- Von Claus-Dieter Hanauer
Passionskonzert in der Karlsruher Christuskirche mit Vokalmusik der Renaissance
Einstieg in die Passionszeit an der Christuskirche Karlsruhe: Ein Vokalquintett mit Franz Vitzhum, Terry Wey, Daniel Schreiber, Sebastian Hübner und Matthias Horn bot Musik der Renaissance im abgedunkelten Kirchenraum. (Foto: Hanauer)
Mit dem italienischen „Lamento“ oder dem lateinischen „Lamentatio“ bezeichnet man in der Musik ein Klagelied, einen Klagegesang, der sich in der Renaissance als neue musikalische Gattung einbürgerte. Im Zusammenhang mit der Passion Jesu, dem Leidensweg Jesu Christi, erlangte das Lamento seine christlich-religiöse Bedeutung – der Klage über das Sterben Jesu Christi am Kreuz. In der Christuskirche war nun ein Lamento ganz eigener Art zu erleben ...
Größtmögliche Herausforderung: Strauss-Oper "Die Frau ohne Schatten" zu Ostern in Baden-Baden
- Freitag, 03. März 2023 17:36
- Von Christine Gehringer
Es sei vielleicht „das größte Werk, das wir in Baden-Baden bisher aufgeführt haben“ - so kündigte man bei der gestrigen Video-Pressekonferenz die Hauptproduktion der diesjährigen Osterfestspiele an. Am 1. April werden die Berliner Philharmoniker das Festival mit der Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“ eröffnen. Die Inszenierung liegt in den Händen der Amerikanerin Lydia Steier, die mit Opern von Richard Strauss Erfahrung hat: In der laufenden Saison brachte sie bereits „Salome“ in Paris und den „Rosenkavalier“ in Luzern auf die Bühne.
Die Vorfreude indes ist groß bei Chefdirigent Kirill Petrenko, der sich schon in Baden-Baden befindet und dort den szenischen Proben beiwohnt: „Ich brenne darauf, meine Erfahrung und mein Wissen mit dem Orchester zu teilen.“ Mit dem Werk hat er sich eingehend beschäftigt, und beim Vorgespräch mit Festspielhaus-Intendant Benedikt Stampa wurde offenbar auch schnell klar, dass das Stück in Baden-Baden auf die Bühne gehört, denn: „Im Jubiläumsjahr müssen wir eine festspielwürdige Oper machen“, so Stampa.
Eine festspielwürdige Oper – das bedeutet in diesem Fall für alle Beteiligten eine „Mammut-Herausforderung“, und zwar sowohl hinsichtltich der musikalischen Umsetzung als auch der Regie. Das Werk verlangt nicht nur den Sängern alles ab, sondern jede Instrumentengruppe, so Kirill Petrenko, müsse über die „größtmögliche Bandbreite“ verfügen – und diese reicht bis hin zu solistischen Passagen.
„Die Frau ohne Schatten“ nach einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal ist eine Märchenoper mit psychologischer Tiefe, kreisend um die Frage, ob das eigene Glück durch das Unglück anderer Menschen erkauft werden darf. Das hochkomplexe Werk sei lange Zeit als „uninszenierbar“ betrachtet worden, erzählt Lydia Steier. Einerseits sei es zwar ein Stück über die menschliche Existenz, über das Mensch-Sein an sich und den Verlust eines Menschen - doch es solle nicht abschrecken, sondern „Spaß“ bereiten. Es sei wie ein Film mit aneinander geschnittenen Bildern und „Soundeffekten“: „Ein Gesamtkunstwerk“, so die Regisseurin; mit einer „Virtuosität im XL-Format“, mit allem, was ein Theater zur Verfügung habe. Dabei müsse „die Bühne wie ein Instrument funktionieren“.
Flankiert wird die Strauss-Oper im Rahmen der Osterfestspiele mit Konzerten, die den Kosmos des musikalischen Wien um 1900 und den Geist des „Fin de Siècle“ umreißen.
Dreimal noch gastieren die Berliner zu Ostern in Baden-Baden – dann endet diese Ära. 2026 wird das Orchester wieder an seinen angestammten Festspielort Salzburg zurückkehren, nachdem sich dort die Differenzen gelegt und die finanzielle Situation gegenüber 2013 grundlegend geändert hat. Jedoch gehe man mit einem „lachenden und weinenden Auge“ hieß es gestern aus Berlin; und erst einmal betonten Medienvorstand Olaf Maninger und Intendantin Andrea Zietzschmann, wie sehr man sich auf Baden-Baden freue.
Ab 2026 gibt es an der Oos dann eine Neuausrichtung; die Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern wird jedoch auf andere Art fortgesetzt. (weitere Informationen zu den kommenden Osterfestspielen unter www.festspielhaus.de)
Shakespeare und altenglische Tänze
- Freitag, 03. März 2023 13:23
- Von Christine Gehringer
KIT Konzertchor und Ensemble "RicciCapricci" boten Musik aus Großbritannien
Unter Nikolaus Indlekofer musizierte der KIT Konzertchor im Audimax des Campus Süd. (Foto: Gehringer)
Wer ein Programm mit englischer Chormusik plant, der wird zunächst einmal vor allem im Frühbarock fündig: Denn das elisabethanische Zeitalter gilt als Blütezeit der englischen Kultur; zu den berühmtesten Vertretern gehören die Komponisten William Byrd, dessen 400. Todestag in diesem Jahr begangen wird, oder der Lautenist John Dowland – und natürlich William Shakespeare. Seine Dichtung hat Komponisten durch die Jahrhunderte hindurch zu zahlreichen Vertonungen angeregt, wozu auch die Übersetzungen von August Wilhelm von Schlegel beitrugen.
Ein spannendes Programm mit vielen Werken, die bei uns auf dem Kontinent eher unbekannt sind – wie etwa manche Chormusik von Edward Elgar – war jetzt beim Semesterkonzert des KIT Konzertchors unter der Leitung von Nikolaus Indlekofer im Audimax des Campus Süd zu erleben. Das Ensemble „RicciCapricci“ sorgte für eine zusätzliche Farbe.
Medienkünstler und ZKM-Vorstand Peter Weibel gestorben
- Donnerstag, 02. März 2023 13:30
- Von Christine Gehringer
(red.) Der Medienkünstler und langjährige ZKM-Vorstand Peter Weibel ist tot. Er starb überraschend am 1. März, nur wenige Tage vor seinem 79. Geburtstag und wenige Wochen vor seinem geplanten Abschied aus Karlsruhe „nach kurzer schwerer Krankheit“, wie das ZKM heute in einer Mitteilung bekannt gab.
Als Künstler, Theoretiker und Kurator prägte der 1944 in Odessa geborene und in Österreich aufgewachsene Peter Weibel die Kunstwelt „durch seine visionäre Kraft, sein umfassendes Wissen und seinen Mut“, wie es in der Mitteilung heißt. In den 24 Jahren seiner Amtszeit hatte er das ZKM zu einer international bekannten und angesehenen Kunstinstitution entwickelt. Bis zuletzt habe er intensiv an den kommenden Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen des ZKM gearbeitet, heißt es in der Mitteilung weiter.
Petra Olschowski, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg äußerte sich zum Tod des Künstlers: "Mit seinen Ausstellungen im ZKM hat Peter Weibel uns immer wieder vor Augen geführt, wie sich unsere Wahrnehmung der Welt durch die digitale und mediale Transformation wandelt. Seine avancierten Ansätze waren immer herausfordernd, denn in seinen oft brillanten Konzepten war Peter Weibel dem Heute oft voraus. Sein plötzlicher Tod lässt uns erschüttert zurück."
„Karlsruhe verliert mit Professor Peter Weibel einen Pionier und eine herausragende Persönlichkeit“, so Oberbürgermeister Frank Mentrup. „Karlsruhe bleibt weltweit als Ort des ZKM und als UNESCO Stadt der Medienkunst mit seinem Namen verbunden.“
Musikalisches Drama zum Ostermorgen
- Mittwoch, 01. März 2023 19:21
- Von Christine Gehringer
Händel-Festspiele: Oratorium "La Resurrezione" mit dem Händelfestspielorchester Halle ein musikalischer Hochgenuss
Zu Gast im Kleinen Haus des Staatstheaters: Das Händelfestspielorchester Halle unter der Leitung von Attilio Cremonesi (Foto: Felix Grünschloß)
Zwischen den Händel-Festspielstädten solle keine Konkurrenz herrschen, sondern Kooperation, befand Staatstheater-Intendant Ulrich Peters beim Auftritt des Händelfestspielorchesters Halle am vergangenen Wochenende. Und in der Tat: Das Gastspiel der „Hallenser“ unter der Leitung von Attilio Cremonesi gehörte sicher zu den Glanzpunkten des diesjährigen Festivals, das am kommenden Freitag zu Ende geht.
Cremonesi, der bereits das Gala-Konzert dirigierte hatte und der zudem das Händelfestspielorchester in Halle leitet, hatte angeboten, Händels Oratorium „La Resurrezione“ auch in Karlsruhe aufzuführen: Eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erwies. Denn „La Resurrezione“ gehört zu jenen Händel-Werken, die eine größere Beachtung verdienen; die Begeisterung im Kleinen Haus war riesig.
Packende Lieder, erschütternde Kriegsbilder
- Montag, 27. Februar 2023 16:29
- Von Christine Gehringer
Erstes "Gartensaal"-Konzert im Karlsruher Schloss präsentierte Werke von Viktor Ullmann
Daniel Fueter (Sprecher) und Hartmur Höll (Klavier) mit Viktor Ullmanns Melodram "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke". (Foto: Gehringer)
Die „Gartensaalkonzerte“ im Schloss sind ein Format des Badischen Landesmuseums und der Karlsruher Musikhochschule: Zur besten Besuchszeit am Freitag Nachmittag können Museumsgäste an ausgewählten Tagen auch Musik genießen.
Mit Werken von Viktor Ullmann wurde die Reihe nun wieder eröffnet, doch schnell wurde klar: Mit einem Nachmittagskonzert „im Vorbeigehen“ hatte das nichts zu tun. Doch gerade solchen Komponisten, die wie Ullmann von den Nazis nach Theresienstadt deportiert und später in Auschwitz ermordet wurden, müsste man eigentlich Konzerte im größeren Umfang widmen. Denn ihr Werk wird nach wie vor stiefmütterlich behandelt.
Sinnfällig war es außerdem, Ullmanns Musik gerade am Jahrestag des Angriffskriegs auf die Ukraine ins Programm zu nehmen - noch dazu mit dem Melodram „Die Weise von Liebe und Tod“, das ein Schicksal aus dem Türkenkrieg thematisiert.
Impressionen aus der Musikstadt London
- Samstag, 25. Februar 2023 17:07
- Von Christine Gehringer
Händel-Festspiele: "Les Abbagliati" mit ihrem Programm "Aliens in London" zu Gast in der Karlsruher Christuskirche
Das Barockensemble "Les Abbagliati", dazu die Sopranistin Gwendoline Blondeen boten Musik von Georg Friedrich Händel und seinen Zeitgenossen. (Foto: Chris Frühe)
London als Musikstadt? Zumindest im 19. Jahrhundert kann man davon nicht mehr sprechen; zudem gibt es keine bedeutenden englischen Komponisten aus jener Zeit. Ein wenig ändert sich das erst wieder mit Edward Elgar um 1900.
Zweihundert Jahre zuvor war das allerdings noch ganz anders. Um 1700 war London eine florierende Metropole, die Künstlerinnen und Künstler aus ganz Europa anzog. Einen Eindruck davon gaben unter dem Motto „Aliens in London“ nun das Brüsseler Ensemble „Les Abbagliati“ und die Sopranistin Gwendoline Blondeel bei ihrem äußerst reizvollen Kammerkonzert in der Christuskirche Karlsruhe – angelehnt an das bisherige Format der „Abendsterne“ bei den Händelfestspielen.
Händel-Festspiele: Barocke Spielfreude beim Jugendwettbewerb
- Donnerstag, 23. Februar 2023 16:06
- Von Christine Gehringer
Der Händel-Jugendwettbewerb ist eine Initiative der Karlsruher Händel-Gesellschaft, die darauf abzielt, junge Musikschüler schon früh an die Barockmusik heranzuführen. Seit 1995 wird der Wettbewerb ausgetragen; anfangs konzentrierte man sich nur auf den badischen Raum, doch mittlerweile sind auch Kandidatinnen und Kandidaten aus ganz Baden-Württemberg und dem benachbarten Elsass (also dem gesamten Pamina-Gebiet) zugelassen.
In der Anfangszeit wurden die jungen Künstler meist noch von ihren Lehrern – auf dem Klavier – begleitet. Doch die Ausbildung an den Musikschulen, so Peter Overbeck, der Vorsitzende der Händel-Gesellschaft, habe sich seitdem deutlich professionalisiert - wie auch das Preisträgerkonzert im Kleinen Haus des Staatstheaters zeigte: Nicht nur Händels goldene Büste, sondern auch ein Cembalo zierte die Bühne; gespielt wurde zum Teil auf historischen Instrumenten. Georg Siebert beispielsweise, Lehrer am Konservatorium und Musiker des Karlsruher Barockorchesters, unterrichtet auch auf der Barockoboe. Das alles ist ein Zeichen dafür, dass die Saat der Händel-Akademien und generell der Beschäftigung mit der Aufführungspraxis offenbar bis in die Jugendarbeit hinein aufgeht – und zwar so, dass es anscheinend schwer fällt, aus dem Kreis der Bewerber am Ende die Preisträger zu küren. Staatstheater-Intendant Ulrich Peters sprach deshalb von der „Spitze eines wunderbaren Eisbergs“.
Unter den jungen Preisträgern befinden sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der Jahrgänge 2003-2012; eingeteilt wurden sie in vier Kategorien, die den jeweiligen Ausbildungsstand berücksichtigen. Einige von ihnen stellten sich während der Matinee als Solisten vor, traditionell sind auch Ensembles beim Wettbewerb beteiligt.
Einen ersten Preis gab es für die Sinfonietta Ulm und die junge Oboistin Tessa Polzehl (Jahrgang 2005) beim Konzert von Alessandro Marcello, und dabei beeindruckte die Solistin mit schön geschwungenen Linien, souveränen Läufen und einem sauberen Ton. Das Ensemble begleitete sie behutsam. Blockflötistin Mila Xu (2005, 2. Preis) warf sich eloquent in die verschiedenen Variationen über dem schwungvollen, typisch barocken Folia-Rhythmus (in Corellis „La Follia“ op. 5,12), und Mezzosopranistin Laura Streckert (2003) begeisterte mit Arien von Händel („La bocca vaga“ aus „Alcina“) und Vivaldi („Quia fecit“ aus dem „Magnificat“ RV 611): Sie gestaltete ausdrucksvoll und mit bemerkenswert guter Stimmführung; hier spürte man, dass sich die junge Sängerin intensiv mit dem barocken Repertoire beschäftigt hat. Im Grunde galt das für alle, die an diesem Vormittag auftraten – und im übrigen mit souveränen und zum Teil sogar originellen Moderationen in die gespielten Stücke einführten.
Weitere fünf erste Preise hatte die Jury zu vergeben: Zum Beispiel an Mai Johannsen (2007), die sich selbstbewusst und mit klarer Tongebung auf der Barockoboe mit Händels F-Dur-Sonate HWV 363a auseinandersetzte. Dass sich die jungen Künstler dabei nicht nur mit der Stilistik des 18. Jahrhunderts, sondern auch mit dem historischen Instrumentarium beschäftigen, verdient eine zusätzliche Würdigung. Charlotte Bommas (2010) beeindruckte auf der Harfe mit zart hingeworfenen Linien und Figuren – zunächst in „L' Eyptienne“ von Jean-Philippe Rameau. Die impressionistisch anmutende „Toccata“ des Filmkomponisten Nino Rota (auch moderne Werke waren zugelassen) setzte dazu einen reizvollen Gegenpol, denn Rota arbeitet hier mit einer ursprünglich barocken Form. Ebenfalls kontrastreich danach der Vortrag von Blockflötistin Johanna Rist (2007): Erstaunlich, wie gewandt sie mit den barocken Affekten in der „Sonata Seconda a Soprano Solo“ von Dario Castello spielte. Danach standen in „The Jungle“ von Paul Leenhouts pointierte Rhythmen und Klangeffekte im Vordergrund.
Die „Barockies“ - eine Gruppe von Instrumentalisten um die Karlsruher Sopranistin Alma Unseld (mit Charlotte Mac-Carty, Barockoboe, Ole Michaelis, Barockcello, Anton Bott, Truhenorgel) – boten eine wunderbar feinsinnige Interpretation von Händels „Meine Seele hört im Sehen“ (aus den „Neun deutschen Arien“). Den höchst vergnüglichen Vormittag beendeten die Sängerinnen und Sänger der Karlsruher Singschule Cantus Juvenum mit Händels „Laudate pueri Dominum“ und einem Spiritual.
Solche Erfolge wären aber nicht möglich ohne engagierte Eltern und vor allem Lehrer – und das würdigte auch die Händel-Gesellschaft: Die Blockflötistin und Pädagogin Kirsten Christmann, die einige der Preisträger (teils sogar kurzfristig) auf dem Cembalo begleitete, wurde mit dem Casimir-Schweizelsperg-Preis (benannt nach einem badischen Hofmusiker) ausgezeichnet.