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Triumph und Bedrängnis

| Christine Gehringer | Kritik

 

Grötzinger Musiktage: Reizvolles geistliches Konzert mit Reinhold Friedrich, Hanno Müller-Brachmann und Carsten Wiebusch

 

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Drei namhafte Solisten hatten sich zur Eröffnung der Grötzinger Musiktage in der evangelischen Kirche eingefunden: Carsten Wiebusch (Orgel), Reinhold Friedrich (Trompete) und Hanno Müller-Brachmann (Bassbariton) blicken auf eine lange Konzerttätigkeit zurück und sind als Professoren in Karlsruhe und Frankfurt tätig; daneben musizieren sie auch regelmäßig in den Karlsruher Kirchen.
Aber gemeinsam taten sie das (erstaunlicherweise) noch nie; ein entsprechender Plan musste unter anderem wegen Corona immer wieder verschoben werden. Jetzt boten sie ein ausgesprochen schönes, geistvolles Programm: unter anderem mit Bachs Schemelli-Gesängen und den Schübler-Chorälen als Schwerpunkt.
(Hinweis: Das nächste Konzert bestreitet am Samstag, den 16. Juli (19.30 Uhr) das Ensemble „Il capriccio“ mit dem Programm „Die Wunderkinder und das Horn“).



Eine schlanke und leuchtkräftige Trompete, dazu eine dezente Orgelbegleitung – vor diesem Hintergrund entfaltet Hanno Müller-Brachmann federnde Koloraturen, artikuliert die Arientexte klar und fordernd, zum Teil mit opernhafter Dramatik. Sein Bassbariton sprengt dabei schon fast die akustischen Dimensionen in der historischen Kirche.
Intimer sind die melodischen geistlichen Lieder aus Schemellis Gesangbuch: Auch ihnen gibt Hanno Müller-Brachmann den gebotenen Ausdruck – erwartungsvoll, freudig anbetend; keine Strophe klingt hier gleich.

Carsten Wiebusch umspielt die Gesänge mit bewegten Figuren, lässt dazwischen die Choräle strömen, mal silbrig, mal flötig, mal mit lauten Schalmeien (hier ein Lob an den Registranten Daniel Kaiser). Auf diese Weise ergeben sich reizvolle Zwiegespräche: Die Schemelli-Gesänge liefern den geistlichen Impuls (etwa mit „Dir, dir Jehova“ „Kommt, Seelen, dieser Tag“, „Der Tag mit seinem Lichte“), und die anschließenden Choralvorspiele („Wer nur den lieben Gott lässt walten“ oder „Wachet auf, ruft uns die Stimme“) bieten Raum zur Reflexion, zur inneren Betrachtung.

Unterbrochen wird diese Art der Meditation durch Werke des 20. Jahrhunderts – zunächst mit Jehan Alain, dem Bruder der legendären Marie-Claire Alain; er gehörte zu den viel versprechendsten Komponisten seiner Zeit, fiel aber bereits mit 29 Jahren im Zweiten Weltkrieg.
Von ihm spielt Carsten Wiebusch die „Litanies“ für Orgel: Ein ein drängender, immer lauter werdender Ruf im gleichen pochenden Thema, was der Komponist selbst folgendermaßen beschreibt: „Wenn die christliche Seele in ihrer Verzweiflung keine neuen Worte findet, um die Barmherzigkeit Gottes anzuflehen, dann wiederholt sie ohne Unterlass dieselbe Anrufung mit lebendigem Glauben.“

In einer ähnlichen Bedrängnis befindet sich auch der Protagonist in „O ewiger Gott“ aus Frank Martins (selten aufgeführten) „Sechs Monologen aus Jedermann“. Im Verbund mit der Orgel schraubt der Sänger seinen „Klageruf“, seine Bitte um Erlösung immer weiter in die Höhe – das ist ergreifend.
In Henri Tomasis „Semaine Sainte a Cuzco“ profiliert sich schließlich Reinhold Friedrich: Mit fanfarenartigen Klängen, mit scharf gezackten Figuren rüttelt das Werk auf, um sich zwischendurch erst einmal völlig zurückzuziehen, wobei sich im weichen, gedämpften Ton der Trompete aparte Fernwirkungen ergeben.
Mit dem triumphalen „The trumpet shall sound“ aus Händels „Messias“ endet das Konzert der drei Professoren schließlich standesgemäß – und entließ ein begeistertes Publikum in den Sommerabend.

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Weitere Informationen unter:
www.klanglandschaft-bw.de

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