Kritik
Beethoven vierhändig: Leicht und voller Anmut
| Christine Gehringer | Kritik
Sontraud Speidel und Franziska Lee spielten in der Kleinen Kirche Karlsruhe
Sontraud Speidel und Franziska Lee widmen sich in der Reihe "20 Finger" in der Kleinen Kirche Karlsruhe der vierhändigen Klaviermusik - diesmal ging es um Ludwig van Beethoven. (Foto: Gehringer)
20 Finger im Dienste einer guten Sache: In diesem Fall gehören sie der Karlsruher Klavierprofessorin Sontraud Speidel und ihrer ehemaligen Schülerin, Franziska Lee. In der vergangenen Saison lag der Fokus auf Franz Schubert, in diesem Jahr – naturgemäß - auf Ludwig van Beethoven.
Da Beethovens vierhändige Klaviermusik jedoch eher unbekannt ist, und da außerdem nur wenige solcher Werke existieren, kam (und kommt) das Publikum nun in zweierlei Hinsicht in den Genuss von Raritäten: Ergänzt wurde Beethovens Musik nämlich durch Werke seiner Schüler Ferdinand Ries und Carl Czerny. An letzterem beißt sich so mancher Klavierschüler die Zähne aus – umso angenehmer die Überraschung darüber, dass Czerny neben den Etüden auch sehr gefällige Stücke komponiert hat.
Das nächste Konzert in der Kleinen Kirche ist für den 6. Mai vorgesehen, die Einnahmen kommen unter anderem dem Erhalt der neuen Lenter-Orgel zu Gute.
Schöner Wahnsinn
| Christine Gehringer | Kritik
SWR Schlosskonzert in Ettlingen: Von Tollhäusern und Trunkenbolden
Wer Alte Musik liebt, der sollte sich diesen Namen merken: Lucile Richardot. Die französische Mezzosopranistin, die vor kurzem mit dem Ensemble Tictactus in Ettlingen gastierte, singt derart süffig, dass man gleich mitten hinein gezogen wird in die geistig-seelischen Abgründe, denen sich englische Barockkomponisten wie Henry Purcell oder John Eccles gewidmet haben. Ihr zur Seite: der Tenor Nicholas Scott, der für den erkrankten Jeffrey Thompson einsprang. Ein außergewöhnlicher Abend.
(Hinweis: Nachzuhören ist das Programm am 7. März nochmals im Rahmen des SWR-Abendkonzerts ab 20.03 Uhr).
Zweifacher Todeskampf
| Christine Gehringer | Kritik
Festspielhaus Baden-Baden: Simon Rattle, Lisa Batiashvili und das London Symphony Orchestra mit Alban Berg und Beethovens "Christus am Ölberge"
Das London Symphony Orchestra unter Simon Rattle zu Gast im Festspielhaus Baden-Baden. (Foto: Manolo Press/ Michael Bode)
Über den Sinn von „Jubiläums“-Jahren kann man sich streiten – erst recht bei einem Komponisten wie Ludwig van Beethoven, dessen Hauptwerke ohnehin auf allen Spielplänen dieser Welt zu finden sind.
Doch gerade solche Zeiten fördern immer wieder auch Unbekanntes zu Tage: Etwa das Oratorium „Christus am Ölberge“.
In Verbindung mit Alban Bergs Violinkonzert („Dem Andenken eines Engels“) war der erste der beiden Konzertabende mit Simon Rattle und dem London Symphony Orchestra im Festspielhaus Baden-Baden zumindest ein bemerkenswerter Verweis auf die beginnende Fastenzeit.
Selbstmord in f-moll
| Christine Gehringer | Kritik
Die Geschichte eines Anti-Helden: "Tolomeo" bei den Karlsruher Händel-Festspielen
Suggestive Bilder wählte Regisseur Benjamin Lazar für die Inszenierung der Oper "Tolomeo", die im Rahmen der Händel-Festspiele am Karlsruher Staatstheater zu sehen ist. (Foto: Falk von Traubenberg)
"Außer Einschlafen gelingt Tolomeo in der Oper nichts“. Dies konstatierte augenzwinkernd die Musikwissenschaftlerin Silke Leopold im Rahmen eines Symposiums, das die diesjährigen Händel-Festspiele begleitete. Doch ganz so ist es natürlich nicht: Tolomeo mag zwar ein Anti-Held sein, aber dafür ist er ein Held der Treue und des Mitgefühls. Und er ist einer, der sich den Widrigkeiten entgegen stellt. Damit - und das ist sicher das Reizvolle am diesjährigen Festival – steht die Oper „Tolomeo Re d‘ Egitto“ im völligen Kontrast zum Show-Helden „Serse“. Glamour auf der einen Seite, völlige Verinnerlichung und Klagen auf der anderen. Das muss man erst einmal aushalten.
Ein weltvergessener Schwanengesang
| Christine Gehringer | Kritik
Festspielhaus Baden-Baden: Diana Damrau, Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker gastierten mit Strauss und Bruckner
Die Sopranistin Diana Damrau und die Münchner Phiharmoniker unter Valery Gergiev mit den "Vier letzten Liedern" von Richard Strauss im Festspielhaus Baden-Baden. (Foto: Festspielhaus)
Anton Bruckner verstand das „Adagio“ in seiner Siebten Sinfonie als „Trauermusik“ für Richard Wagner (dessen Todestag sich übrigens genau heute jährt), und Richard Strauss schrieb kurz vor seinem Tod jene Vokalwerke, die heute als „Vier letzte Lieder“ bekannt sind: Unter dem Titel „Schwanengesang“ waren diese Werke vor kurzem im Festspielhaus zu hören - mit Diana Damrau, die den Strauss-Zyklus bereits im vergangenen Jahr mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks auf CD aufgenommen hatte, damals noch unter Mariss Jansons, was dann auch, dies nur nebenbei, zu dessen eigenem „Schwanengesang“ geriet. Nun waren die Münchner Philhamoniker (die wiederum auf eine lange Bruckner-Tradition zurückblicken) mit ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev zu Gast.
Eine Intensität, die erschüttert
| Christine Gehringer | Kritik
Das Marmen Quartet spielte im Schloss Bruchsal unter anderem Mendelssohns letztes Streichquartett
Das Londoner Marmen bei den Proben im Schloss Bruchsal im Rahmen der Schlosskonzerte. (Foto: Hans-Peter Henecka)
Alle drei Jahre wird im kanadischen Urlaubsort Banff – vor der Kulisse der Rocky Mountains – ein Streichquartett-Wettbewerb ausgetragen. Einer der beiden Gewinner des Jahres 2019 war das Marmen Quartet, das in London beheimatet ist und bei seiner Tournee nun auch im Schloss Bruchsal gastierte: mit Werken von Haydn, Ligeti und Mendelssohn.
(Hinweis: Das Konzert wurde vom SWR aufgezeichnet und ist am 4.4. ab 20.03 Uhr im Abendkonzert zu hören).
"Sein größter Wunsch war es, dass seine Musik in Karlsruhe gespielt wird"
| Christine Gehringer | Kritik
Staatstheater Karlsruhe: Würdiges Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus/ Kantate des Karlsruher Komponisten Richard Fuchs aufgeführt
Die Badische Staatskapelle gedachte der Opfer des Nationalsozialismus unter anderem mit Musik des Karlsruhers Richard Fuchs. (Foto: Chris Frühe)
Zur Erinnerungskultur der Stadt Karlsruhe gehört unter anderem das „Gedenkbuch für die Karlsruher Juden“, das in unermüdlicher, ehrenamtlicher Recherchearbeit fortgeschrieben wird und online abrufbar ist.
Dazu gehört auch die Benennung des Theater-Vorplatzes in „Hermann-Levi-Platz“ – um nur einige der Projekte zu nennen.
Vor kurzem gab es ein wunderbares musikalisches Zeugnis: Seit ungefähr zehn Jahren ist man in Karlsruhe dabei, die Musik des Komponisten Richard Fuchs (1887 – 1947) wieder zu entdecken. Seine Kantate „Vom Jüdischen Schicksal“ stand im Zentrum eines denkwürdiges Konzerts am Staatstheater zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.
Mediale Oper oder: Wenn die Akteure nur Statisten sind
| Christine Gehringer | Kritik
Zur Produktion von Puccinis "Turandot" am Staatstheater Karlsruhe
Bunte Bilder, schwache Regie: Wenig überzeugend ist die Oper "Turandot" am Staatstheater Karlsruhe. (Foto: Falk von Traubenberg)
Manche Regisseure möchte man gerne fragen, ob das Geschehen auf der Bühne bei der Umsetzung ihrer eigenen Ideen eigentlich sehr stört. Diesen Eindruck hat man jedenfalls bei der derzeitigen Produktion von Puccinis „Turandot“ am Karlsruher Staatstheater: Sie ist eine Zusammenarbeit mit dem Teatro Massimo in Palermo, dem Teatro Communale di Bologna und dem Lakhta Center in St. Petersburg. Fabio Cherstich hat die Oper in Szene gesetzt; die fragwürdigen, im Grunde eher störenden Videosequenzen stammen vom russischen Künstlerkollektiv AES+F.
Eindeutig fiel die Regie beim Karlsruher Publikum durch, musikalisch ist das populäre Werk allerdings ein großer Genuss.