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Kritik

Schwermut und Grazie

| Christine Gehringer | Kritik

Olga Peretyatko-Mariotti und die Bamberger Symphoniker mit Musik aus Russland in Baden-Baden

 

180506 Peretyatko Bamberger

Die Zugabe, der Ungarische Tanz Nr. 21 von Johannes Brahms, ist vielleicht symbolisch für den ganzen Abend. Kein robustes Aufstampfen auf den betonten Taktzeiten, wie man das häufig hört; vielmehr geschieht das alles eher beiläufig. Dafür liegt über dem gesamten Stück ein einziger Schwung von Anmut. Die Bamberger Symphoniker, die an diesem Abend im Festspielhaus Baden-Baden keinesfalls nur die Begleiterrolle übernehmen, begeistern mit ihrer Feinnervigkeit, ihrer Geschmeidigkeit und Klangpracht. Dazu kommt die Sopranistin Olga Peretyatko-Mariotti, die sich ganz dem Repertoire ihrer russischen Heimat widmet - was hierzulande selten zu hören ist.

Tiefer Zorn und große Seufzer

| Christine Gehringer | Kritik

Abschluss der "Ettlinger Schubertiade" mit Kammermusik

 

180422 Schubertiade

Mit Musik für Klaviertrio ging die Jubiläums-Saison der „Ettlinger Schubertiade“ zu Ende – ungewohnt in einer Konzertreihe, die sich normalerweise dem Kunstlied verschreibt. Aber wer sich eine ganze Saison lang fast ausschließlich mit Franz Schubert beschäftigt, der kommt eigentlich gar nicht umhin, auch seine Kammermusik ins Programm zu nehmen – gehört sie doch ebenfalls zu den Meisterwerken der Musikgeschichte. Und abgesehen davon versteckt sich in Schuberts Es-Dur-Trio (D (929) ein schwedisches Volkslied.
Zu Gast im Ettlinger Schloss waren diesmal Adelina Oprean (Violine) und Conradin Brotbek (Violoncello) – beide sind Mitglieder des ARIA Quartetts aus der Schweiz. Und zum Auftakt gab es viel Aufwühlendes und Erschütterndes.

Der Pianist als Klangregisseur

| Christine Gehringer | Kritik

Zum Klavierabend mit Boris Giltburg kürzlich im Konzerthaus Karlsruhe

 

180414 Giltburg

Die „Etudes d' exécution transcendante“ von Franz Liszt werden oft als Klangstudien, als sinfonische Dichtungen bezeichnet, auf alle Fälle sind sie mehr als technische Übungsstücke. Dasselbe gilt für für die „Etudes tableaux“ von Sergej Rachmaninow.
Der israelische Pianist Boris Giltburg, der vor kurzem bei den Karlsruher Meisterkonzerten im Konzerthaus gastierte, sieht hier sogar „ganze Welten“, die sich hinter dem „dünnen Schleier“ der Noten verbergen. Eines muss der Pianist hier jedenfalls sein: ein Klangregisseur.

Das Streichquartett bietet Raum für viel "Unerhörtes"

| Christine Gehringer | Kritik

Zum Konzert des Almaviva Quartetts vor kurzem bei den Ettlinger Schlosskonzerten

 

Almaviva Quartett

Wenn bei einem Konzert ein Meister-Komponist nebst „Zeitgenossen“ zu hören ist, dann sind die Zeitgenossen oft zu Recht in Vergessenheit geraten und werden eher als Ergänzung, als spannendes „Zeitdokument“ ins Programm genommen. Ein bisschen war es auch so beim Konzert des Almaviva-Quartetts, das kürzlich bei den Ettlinger Schlosskonzerten zu erleben war.
Joseph Martin Kraus und Franz Krommer (den hat man meist schon mal „irgendwo“ gehört) waren in diesem Fall die Zeitgenossen von Wolfgang Amadeus Mozart. Wer das alles selbst noch einmal (nach)hören möchte, der hat dazu am 26. Mai ab 20.03 Uhr im SWR2 Abendkonzert die Gelegenheit.

Kraftvoll, körperlich - und zeitlos schön

| Christine Gehringer | Kritik

Zur Neuauflage des Balletts "Carmina Burana" am Staatstheater Karlsruhe

 

180413 Carmina Burana

Als der ehemalige Karlsruher Ballettdirektor Germinal Casado vor zwei Jahren starb, überließ sein Lebensgefährte Giulio Ragnoli der Spartenchefin Birgit Keil großzügig die „Carmina Burana“ - eine Choreografie, die bei ihrer Uraufführung vor 35 Jahren für einige Furore sorgte. Casado, einst Tänzer in der Kompagnie des legendären Maurice Béjart, machte sich nicht nur als Choreograf, sondern auch als Ausstatter einen Namen. In den 20 Jahren, in denen er am Staatstheater wirkte, schuf er über 60 Ballette; mit seiner Kompagnie „Danza Viva“ war er in aller Welt unterwegs. Jetzt ehrt das Haus den großen Künstler mit einem opulenten, spartenübergreifenden Projekt: In der Neuauflage der „Carmina Burana“ - mit Orchester, Chor und Solisten – verschmelzen sämtliche Kunstformen. Nach den zuletzt eher enttäuschenden Opern ist diese Produktion nun ein echtes Fest für die Sinne.

Zeitgenössische Musik ist auch Unterhaltungskunst

| Christine Gehringer | Kritik

Alumni-Konzert mit Johanna Vargas an der Musikhochschule Karlsruhe

 

180406 Johanna Vargas

Die Namen der Komponisten mag so manchen vielleicht ein wenig abgeschreckt haben: Reimann, Berio, Nono, Ligeti. Doch die Sopranistin Johanna Vargas, ehemalige Studentin der Karlsruher Musikhochschule und vielen Konzertbesuchern in ganz anderer Rolle bekannt – nämlich als Frontsängerin der Salsa-Band „Los Pantolores“ - kehrte nun zurück an ihre einstige Ausbildungsstätte. Ihr gut einstündiger Liederabend war eine geschlossene Bühnen-Performance: ein kunstvoll durchinszeniertes Programm, das sie gemeinsam mit ihrer Klavierpartnerin Magdalena Cerezo konzipiert hatte.

Mit dramatischer Wucht

| Christine Gehringer | Kritik

Selten zu hören: Frank Martins Passion "Golgotha"/ eindrucksvolle Aufführung in der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe

 

180330 Golgotha

Eine Radierung von Rembrandt - „Die drei Kreuze“ - inspirierte einst Frank Martin zu seiner Passion „Golgotha“. Der Schweizer Komponist, der 1890 als Sohn eines Pfarrers geboren und auch von der Musik Johann Sebastian Bachs geprägt wurde, war außerordentlich beeindruckt von den Hell-Dunkel-Kontrasten in diesem Bild. Ähnliches findet man auch in Martins Musik: In „Golgotha“ richtet sich sozusagen der gesamte Lichtkegel auf die Perso Jesu, und die Kontraste ergeben sich zudem in den düster-dramatischen Bildern mit den schwebend-meditativen Passagen, die zwischendurch immer wieder aufleuchten.
Selten ist das Werk im Konzertbetrieb zu hören; in Karlsruhe konnte man es jetzt innerhalb weniger Jahre zum zweiten Mal erleben: Diesmal an der Evangelischen Stadtkirche, mit dem BachChor und der Camerata2000 unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Christian-Markus Raiser.

Wie eine große Musikerfamilie

| Christine Gehringer | Kritik

Musikfest bei den Osterfestspielen: Berliner Philharmoniker in kleinen Besetzungen, dann begeistert das Bundesjugendorchester.

 

180329 Musikfest Rattle

Es war eine besonders familiäre, warmherzige Atmosphäre beim Musikfest in Baden-Baden. Traditionell wird es vom Bundesjugendorchester gestaltet, und dass Simon Rattle auch die Arbeit mit dem künstlerischen Nachwuchs sehr am Herzen liegt, ist nicht zu übersehen: „Ich liebe dieses Orchester - das ist unsere Zukunft, und ich glaube, die ist nicht allzu schlecht“, witzelte er.
Die Begeisterung ist offenbar gegenseitig – und deshalb wurde Rattle, der im Laufe der Jahre mit insgesamt etwa 500 hochtalentierten jungen Orchester-Musikern gearbeitet hatte, im Rahmen dieses Konzerts zum ersten Ehrendirigenten des Bundesjugendorchesters ernannt.
Auch die Mitglieder der Berliner Philharmoniker rückten nochmals in kleineren Besetzungen in den Fokus: Das fabelhafte Bläser-Ensemble etwa, dazu die Berliner Barock Solisten.