Kritik
Salome und der Fall Jeffrey Epstein
| Christine Gehringer | Kritik
Bei Regisseurin Slavá Daubnerová wird die Strauss-Oper zur Geschichte über sexuellen Missbrauch
"Salome" von Richard Strauss in Karlsruhe: Die Titelfigur wird hier zum Missbrauchsopfer. (Foto: Felix Grünschloß)
Ist Salome Täterin oder Opfer? Mit dieser Frage setzte sich das Regie-Team um Slavá Daubnerová gründlich auseinander. Die Slowakin inszenierte die Oper von Richard Strauss, die 1905 in Dresden uraufgeführt wurde, jetzt am Staatstheater Karlsruhe und nahm sich eine reale Geschichte zum Vorbild: die des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein. Salome ist hier also in erster Linie ein Missbrauchs-Opfer.
Erstaunlich gut kam die Produktion beim Publikum an, was zuletzt nicht immer der Fall war. Zum Erfolg trugen aber in erster Linie die fabelhaften Leistungen der Sänger bei - und selbstverständlich die Staatskapelle unter Generalmusikdirektor Georg Fritzsch, der bei Strauss ganz in seinem Element ist. Daubnerovás Lesart hingegen überzeugt nicht durchgängig.
Betörend, leidend, exzessiv
| Christine Gehringer | Kritik
Zum kürzlichen Jugendstil-Liederabend am Staatstheater Karlsruhe.
Der „Szenische Liederabend“ am Badischen Staatstheater ist ein Format, von dem man sich pro Thema eigentlich mehrere Vorstellungen wünschen würde – wie zuletzt beim „Kuss der Gegenwart“, einem Abend, den man begleitend zur Karlsruher Ausstellung „Göttinnen des Jugendstils“ erleben konnte. Denn dieses Konzert war nicht nur eine programmatische Aneinanderreihung einzelner Lieder, sondern die Szenen wurden auch durch eine subtile Regie (Inszenierung: Anja Kühnhold; Bühne und Kostüme: Elisabeth Richter) miteinander verwoben: Eine Einladung, sich mit der Kunst und dem Lebensgefühl zu jener Zeit etwas gründlicher zu beschäftigen.
(Foto: Badisches Landesmuseum, Emil Großkopf: Dame mit Taube; im Rahmen der Austellung "Jugendstil am Oberrhein 2009"/ Archiv)
Zwischen Konflikt und Resignation
| Christine Gehringer | Kritik
Spannendes Programm mit Werken der Romantik: Simon Rattle, Sol Gabetta und das London Symphony Orchestra im Festspielhaus Baden-Baden
Simon Rattle, Sol Gabetta und das London Symphony Orchestra im Festspielhaus Baden-Baden. (Foto: Michael Gregonowits)
Schön sei es, „wieder einmal hier zu sein“, bemerkte Simon Rattle. Der Dirigent, bis 2018 mit den Berliner Philharmonikern regelmäßig an Ostern zu Gast im Festspielhaus Baden-Baden, kehrte vor kurzem mit dem London Symphony Orchestra zurück, dessen Chef er seit 2017 ist. Zu Gast war auch die Cellistin Sol Gabetta mit Edward Elgars schwermütigem e-moll-Konzert.
Ein emotionaler Kraftakt
| Christine Gehringer | Kritik
Bruchsaler Schlosskonzerte: Klaviertrios von Schubert und Tschaikowsky
(Foto: PR/ ©Zandel, Borggreve, Bertazzi)
Das Klaviertrio a-moll op. 50 von Peter Tschaikowsky gehört nicht zum Standardrepertoire in Konzertprogrammen – umso dankenswerter, dass dieses dramatische, aufwühlende Werk jetzt bei den Bruchsaler Schlosskonzerten zu hören war, in Verbindung mit Franz Schuberts B-Dur-Trio op. 99. Zu Gast bei diesem großartigen Konzert waren die Geigerin Antje Weithaas, der Cellist Julian Steckel und der Pianist William Youn. Am Montag, den 20. Juni ist das Programm ab 20.05 Uhr im SWR2 Abendkonzert zu hören.
Trio mit Klarinette
| Christine Gehringer | Kritik
Volkstümlich und sinnlich: Das BuschKollegium spielte im Musentempel in Karlsruhe
Das BuschKollegium in Triobesetzung: Die Klarinettistin Bettina Beigelbeck musizierte mit Yasushi Ideue, Konzertmeister der Baden-Badener Philharmonie, und der Pianistin Miho Uchida, Solorepetitorin am Karlsruher Staatstheater. (Foto: Gehringer)
Klarinette, Violine, Klavier: Bei dieser Besetzung rückt vor allem die Musik des 20. Jahrhunderts ins Blickfeld - und damit Werke, die nicht allzu bekannt sein dürften. Solchen Raritäten widmete sich jetzt im Musentempel Karlsruhe das BuschKollegium, das nach dem Geiger Adolf Busch (1891-1952) benannt ist und in wechselnder Besetzung auftritt. Das Ensemble feiert außerdem in diesem Jahr sein 10jähriges Jubiläum.
Frühlingshafte Frische
| Christine Gehringer | Kritik
Schumanns "Der Rose Pilgerfahrt" mit der Dirigierklasse der Musikhochschule und dem Kurpfälzischen Kammerorchester
Studierende der Dirigierklasse von Matthias Beckert leiteten die Aufführung von "Der Rose Pilgerfahrt" in der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe. (Foto: Gehringer)
Das Märchenidyll „Der Rose Pilgerfahrt“ von Robert Schumann ist heutzutage kaum noch im Konzert zu hören. Bis vor hundert Jahren gehörte das gut einstündige Werk (nach einem Text von Moritz Horn) noch zum festen Chorrepertoire, heute wirkt es mit seinem phantastischen, allzu romantischen Stoff und seinem biedermeierlichen Idyll dagegen etwas aus der Zeit gefallen.
Umso schöner, dass sich jetzt die Dirigierklasse von Matthias Beckert an der Karlsruher Musikhochschule damit auseinander setzte – denn mit seinem Wechsel zwischen Chor- und Solo-Partien, zwischen Rezitativen, Arien und volksliedhaften Anklängen bietet es einige Herausforderungen für Studierende, die sich auf engem Raum erproben wollen.
Der eine oder andere Besucher in der Evangelischen Stadtkirche vermisste jedoch Mendelssohns ursprünglich vorgesehene „Heimkehr aus der Fremde“ (oder nach der jüngsten Ankündigung: Schuberts „Unvollendete“); manch einer blieb nach der Aufführung erst einmal irritiert sitzen. Doch Schumanns Musik hat mit Sicherheit dafür entschädigt.
Vom verzweifelten Versuch, sich selbst ein Denkmal zu setzen
| Christine Gehringer | Kritik
Musiktheater-Projekt „Wider das Verlöschen“ an der Musikhochschule Karlsruhe
Luise von Garnier und Leon de la Guardia in "Wider das Verlöschen". (Foto: Musikhochschule Karlsruhe/ Haitham Assem Tantawy)
Größer noch als die Angst vor dem Tod ist möglicherweise die Angst des Menschen, irgendwann vergessen zu werden. Von diesem Schicksal (und von der Weigerung zu sterben) erzählt das Musiktheater „Wider das Verlöschen – ein Wagner-Projekt in zwei Episoden“ von Haitham Assem Tantawy.
Die Abschlussarbeit im Rahmen des Studiengangs „MusikTheaterRegie“ ist jedoch in erster Linie ein beeindruckender Wagner-Abend mit einer enormen sängerischen Leistung. Am morgigen Mittwoch, den 20. April (19.30 Uhr) gibt es noch eine weitere Vorstellung im Marstall bei Schloss Gottesaue.
Pique Dame im Bordell
| Christine Gehringer | Kritik
Die Osterfestspiele in Baden-Baden sind eröffnet: Kirill Petrenko glänzt beim Operndebüt
Tschaikowskys "Pique Dame" im Festspielhaus Baden-Baden verlegen Moshe Leiser und Patrice Caurier ins Bordell. (Foto: Monika Rittershaus)
„Die Berliner Philharmoniker sind zurück!“ rief Festspielhaus-Indendant Benedikt Stampa den zahlreichen Gästen zu, und das lebendige Treiben im Foyer, die Gespräche, die eng besetzten Reihen deuteten beinahe schon wieder auf Normalität im Konzertleben hin.
Zurück meldeten sich die Berliner Philharmoniker mit Tschaikowskys „Pique Dame“ - und wie! Die Oper, beruhend auf einer Novelle von Alexander Puschkin und auf westlichen Bühnen eher selten zu erleben (wesentlich präsenter ist da „Eugen Onegin“) - sie war zugleich auch die Premiere von Kirill Petrenko als Musiktheater-Dirigent.
Es war ein Einstand mit Bravour: Hinterließen die Berliner unter Vorgänger Simon Rattle in Baden-Baden bisweilen noch einen zweifelhaften Eindruck (hier denkt man vor allem an Mozarts „Zauberflöte“ 2013), so präsentierten sie sich nun als großartiges Opernorchester – mit einer Spannung und mit Farben, die wohl keine Inszenierung schaffen könnte, zumal die Regie von Moshe Leiser und Patrice Caurier nicht jedermanns Geschmack traf.