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Festspielhaus Baden-Baden stellt Programm für 2024 vor: Festspiele im Fokus, Gastspiele zumehmend "unter Druck"

| Christine Gehringer | PAMINA kurz notiert

Baden-Baden gehöre zu den „geheimnisvollsten“ Kulturstädten, sagt Festspielhaus-Intendant Benedikt Stampa. Diese Schätze zu heben, auf die musikhistorische Bedeutung Baden-Badens hinzuweisen und in die Festspiel-Idee einfließen zu lassen – das betont Stampa immer wieder, so auch auf der heutigen Pressekonferenz zur Vorstellung der Saison 2024 im Festspielhaus Baden-Baden. Konkret heißt das: Neben Johannes Brahms oder Pauline Viardot hat Baden-Baden noch mehr an Kultur zu bieten - wie etwa den Komponisten Pierre Boulez oder andere zeitgenössische Künstler.
Querverweise zu Baden-Badens Kulturgeschichte finden sich immer wieder im Programm: So ist im Rahmen des Herbstfestivals „La Grand Gare“ etwa der Journalist Orlando Figes zu Gast; er beschreibt in seinem 2019 erschienenen Buch „Die Europäer“ nicht nur die Verbindung zwischen Pauline Viardot und Iwan Turgenjew, sondern auch die kulturgeschichtliche Bedeutung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert – mit Baden-Baden als Drehscheibe.

Im Kontext einer sich verändernden Kulturlandschaft und im Zuge der gegenwärtigen Krisen müsse man sich aber vor allem immer wieder fragen: „Warum machen wir Kultur? Wie kann man das Publikum begeistern, was macht Festspiele attraktiv für Menschen?“ Beethoven höre man heute anders als vor 20 Jahren, so Stampa, und russische Musik betrachte man inzwischen anders als noch vor zwei Jahren. Auch betont Stampa, dass man kein musikalischer „Grundversorger“, also kein Konzerthaus sei – sondern eben ein Festspielhaus. „Die Idee der Festspiele greift, das sehen wir“, so Stampa. Reine Gastspielkonzerte hingegen gerieten zunehmend „unter Druck“.

Man wolle Musik und Tanz in Baden-Baden „erlebbar“ machen, so Stampa. Der Intendant verwies dabei auf das Tanzfestival „The World of John Neumeier“, das in der gesamten Stadt präsent war. Auch versuche man, den „Spagat“ zwischen altbekanntem und neuem, eher selten gespieltem Repertoire zu bewältigen.
123 Veranstaltungen bietet das Festspielhaus Baden-Baden in der kommenden Saison; bezeichnenderweise beginnt der Festspielkalender mit dem „Takeover-Festival“ - einer Art Labor, das sich an die jüngere Generation richtet und sich mit der Frage beschäftigt, wie Musik künftig gespielt wird und wie man neues Publikum gewinnen kann. Generell wolle man ein „Mehrgenerationenhaus“ sein, so Stampa.

Das Publikum anzusprechen – das beschäftigt Kulturveranstalter ohnehin seit der Corona-Pandemie; seit einigen Jahren ist zudem ein verändertes Kaufverhalten festzustellen, die Menschen entscheiden sich eher kurzfristig und spontan.
Man habe Neukunden gewonnen, aber auch Kunden verloren, so Kommunikationsdirektor Rüdiger Beermann. Insgesamt hält sich das offenbar jedoch die Waage: Die Auslastung des zurückliegenden Jahres schätzt Beermann zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf rund 80 Prozent, das entspreche etwa dem Niveau vor der Corona-Pandemie. 60 Prozent des Publikums erreiche man mittlerweile auf digitalem Weg, darunter viele Jüngere, die das Haus erstmals entdecken. Etwa mittels Führungen sucht man außerdem den persönlichen Kontakt.
Die finanzielle Situation des Hauses bezeichnet Benedikt Stampa nach dem Wegfall der Corona-Hilfen von Bund und Land inzwischen als „stabil“. Er betont dabei vor allem das Engagement der privaten Förderer.

In der Saison 2024 erwartet die Besucher zu den vorletzten Osterfestspielen mit den Berliner Philharmonikern eine Neuinszenierung der Richard-Strauss-Oper „Elektra“ - in der Inszenierung des Film- und Theater-Regisseur Philipp Stölzl („Der Medicus“, „Nordwand“). Der kanadische Dirigent Yannick Nézet-Séguin setzt mit einer konzertanten „Walküre“ seinen „Ring“ mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra in Baden-Baden fort . Camilla Nylund und Jonas Kaufmann singen im Sommer den 2. Aufzug der Wagner-Oper „Tristan und Isolde“, begleitet vom Gstaad Festival Orchestra unter Mark Elder. Der französische Dirigent Mark Minkowksi leitet im Dezember zwei Aufführungen der Operette „Die Fledermaus“ im Konzert. Orchester aus London, Paris, Prag, Amsterdam und Budapest werden in Baden-Baden 2024 ebenso erwartet wie das heimische SWR Symphonieorchester zu den Pfingstfestspielen, das sich unter anderem gemeinsam mit der finnischen Dirigenten-Entdeckung Tarmo Peltokoski dem Thema „Filmmusik“ widmet.

Auch der der Tanz spielt in Baden-Baden 2024 eine besondere Rolle: Erstmals in der Geschichte des Festspielhauses werden sechs verschiedene Compagnien innerhalb eines Jahres erwartet. Zu sehen sind Tanz-Produktionen, die vom Street-Dance der Pariser Banlieus bis zum Hamburg Ballett John Neumeier ein großes Spektrum an Stilen und Themen behandeln. Ein Debüt in Baden-Baden feiert das Joffrey Ballet Chicago im herbstlichen Festival „The World of John Neumeier“.
Vertieft wird in Baden-Baden 2024 die Zusammenarbeit mit dem Musikalischen Leiter der New Yorker Metropolitan Opera Yannick Nézet-Séguin; er kuratiert erneut die Sommerfestspiele „Capitale d’Été“.
Dirigent Thomas Hengelbrock und die von ihm gegründeten Balthasar-Neumann-Ensembles widmen sich Glucks Oper „Iphigénie en Tauride“ konzertant. Zu den Herbstfestspielen 2024 veranstalten das Festspielhaus Baden-Baden und der Balthasar-Neumann-Chor außerdem wieder das „Europäische Singfest“ für interessierte Laien. (Weitere Informationen zum Programm unter www.festspielhaus.de)