Kritik
Bratsche mit Spiel-Witz
| Christine Gehringer | Kritik
Das Eröffnungskonzert der "Grötzinger Musiktage" lenkte den Blick auf ein Instrument der "zweiten Reihe"
Beim Eröffnunskonzert der Grötzinger Musiktage musizierte das "Quatuor Avium" mit Felix Treiber, Akiko Sato, Sibylle Langmaack und Norbert Ginthör. (Foto: Gehringer)
Allein der Name „Quatuor Avium“ lässt bereits auf eine sängerische Leichtigkeit schließen. Denn „Avium“ kommt von „Vogel“ und nicht etwa, wie der Musikwissenschaftler Hartmut Becker launig bemerkte, von „avia“, der Großmutter. Das ist kein unwesentliches Detail, denn das „Quatuor Avium“ folgt nicht der klassischen Streichquartettbesetzung mit zwei Violinen, sondern legt vielmehr das Gewicht auf die Mittellage. Dies wiederum regt manche Vorurteile an, die hauptsächlich durch die so genannten „Bratschen-Witze“ in Umlauf gebracht werden – nämlich vom Bratscher als einem besonders langsamen und ungelenken Musiker. Damit unterstellt man, der Bratscher an sich sei so etwas wie ein gestrandeter Geiger.
Doch zum Wesen der Grötzinger Musiktage (diesmal in der Begegnungsstätte statt in der evangelischen Kirche) gehört es, manche Gewohnheiten immer wieder ein wenig aufzubrechen. So rückte dieses vermeintlich unscheinbare Instrument auf ganz neue Art ins Blickfeld. (Nächstes Konzert: Samstag, 11. Juli, 19.30 Uhr).
Himmlische Freuden - ganz nahe und direkt
| Christine Gehringer | Kritik
Konzert mit der Badischen Staatskapelle: Mahlers Sinfonie Nr. 4 in einer Fassung für Kammerensemble
Am Ende gab es stehende Ovationen und große Dankbarkeit für die Mitglieder der Staatskapelle und ihren Dirigenten Justin Brown: Dieser Auftritt war zwar noch nicht das offizielle Abschiedskonzert für den scheidenden GMD, doch zumindest war es ein versöhnlicher Abschluss einer schwierigen Saison. „Auch wir freuen uns, dass wir wieder vor einem richtigen Publikum spielen können“, ließ Brown gleich zu Beginn des Konzerts wissen.
Gut besucht war das große Haus des Karlsruher Staatstheaters, sieht man einmal von jenen freien Plätzen ab, welche die Abstandsregeln erfordern. Auf dem Programm stand die 4. Sinfonie G-Dur von Gustav Mahler – und zwar in einer die Kammermusikfassung von Klaus Simon.
"Rallalala" im leeren Raum
| Christine Gehringer | Kritik
Sonderfahrplan Staatstheater: In der Opernwerkstatt mit "Hänsel und Gretel"
Oberspielleiterin Anja Kühnhold erklärt Sängerin Jennifer Feinstein, was sie als Mutter in Humperdincks "Hänsel und Gretel" zu tun hat. (Foto: Staatstheater Karlsruhe)
Es ist ja im Grunde kein „Sonderfahrplan“, sondern bestenfalls ein Notfallplan. Denn wirklich originelle, speziell für die Corona-Zeit entwickelte Formate gibt es am Staatstheater Karlsruhe – von einigen Konzerten einmal abgesehen - nicht.
Dennoch: Das Engagement der Akteure muss man zumindest würdigen. Eine Probe ist normalerweise eine geschlossene, sehr intime Angelegenheit, und dass Sänger, Kapellmeister und Spielleiterin hier einen Einblick gaben; dass sie changieren mussten zwischen ernsthafter szenischer Arbeit und der Vermittlung nach draußen, zum Publikum – das verdient Anerkennung.
Allerdings: Die Abstände auf der Bühne sind gewöhnungsbedürftig. „Das ist zu steril, das macht keinen Spaß“, kam es prompt von den Zuschauern. Daraufhin Oberspielleiterin Anja Kühnhold: „Uns geht es genau so“.
Nirgends klagt es sich so schön
| Christine Gehringer | Kritik
"Tears of the Muses": Gamben-Musik aus England mit dem Ensemble "Les Escapades"
Das Gamben-Consort "Les Escapades" beim Jubiläumskonzert in der Altkatholischen Kirche Karlsruhe. (Foto: Gehringer)
Nein, Werke für Gamben-Ensemble sind längst keine „Eskapaden“ mehr im eigentlichen Sinne. Denn die so genannte Alte Musik, der historische Klang hat sich längst etabliert in den Konzertsälen, auch wenn das Publikum nach wie vor meist ein sehr spezielles ist. Das sah allerdings vor 20 Jahren, zur Zeit der Gründung des Karlsruher Gamben-Consorts „Les Escapades“, noch etwas anders aus. Dennoch: Werke aus dem elisabethanischen England etwa, Musik von Anthony Holborne, John Coprario oder dem berühmtesten Vertreter, John Dowland – das sind nach wie vor Raritäten, die es zu entdecken gilt.
Um feine Melancholie ging es im Programm „Tears of the Muses“, benannt nach einer Sammlung von Tanzsätzen, die Anthony Holborne veröffentlichte. Das Konzert in der Altkatholischen Kirche in Karlsruhe war jedoch alles andere als eine düstere Trauermusik.
Von Schatzgräbern und Perlenfischern
| Christine Gehringer | Kritik
Um Gold und Edelsteine ging es bei den "Plaudereien" mit Hans Hachmann in der Karlsruher Hemingway Lounge
Der ehemalige SWR-Redakteur Hans Hachmann und die Schmuckexpertin Manuela Mutschelknauß beim Plausch in der Hemingway-Lounge (Foto: Gehringer)
Man spricht gelegentlich von „Perlen“ der Oper; untrennbar damit verbunden ist das „Gold in der Kehle“. Von „musikalischen Edelsteinen“ liest man bei speziellen Editionen auf CD-Covern, des weiteren finden sich Spuren von Edelmetall in der Musik selbst – zu den bekanntesten Werken dürften Franz Léhars Walzer „Gold und Silber“ und natürlich Wagners „Rheingold“ zählen. „Hat man nicht auch Gold beineben“ heißt es zudem in Beethovens „Fidelio“ - was manchen Musikredakteur gar auf den Gedanken brachte, in vielen Fällen sei wohl „am Bankgeheimnis vorbeikomponiert“ worden.
Jedenfalls war das Stoff genug für eine unterhaltsame „Musik-Plauderei“: Die Reihe, die der ehemalige SWR-Redakteur Hans Hachmann regelmäßig in der Karlsruher Hemingway-Lounge gestaltet, wurde jetzt wieder aufgegriffen. Dabei tat die Nähe zur Schmuckstadt Pforzheim ein Übriges: Zu Gast als Gesprächspartnerin war die im Juweliergeschäft tätige Manuela Mutschelknauß von den Schmuckwelten Pforzheim.
Mäusesuppe für die bösen Liebhaber
| Christine Gehringer | Kritik
Kammermusik von Frauen im Obertsroter "Kirchl"/ Liederabend begeistert mit Raritäten
Sopranistin Traudl Schmaderer und Pianistin Vera Weht aus Kassel musizierten spannende Werke von unbekannten Komponistinnen (Foto: Gehringer)
Die Corona-Zeit sorgt bisweilen für neuartige Formen der Konzertgestaltung: Wenn an kleineren Spielorten nur ganze zehn (!) Hörer zugelassen sind, dann schaffen Mitschnitte, die anschließend ins Netz gestellt werden, eine gewisse Abhilfe. Zwar können sie niemals das Live-Erlebnis ersetzen - doch andererseits wird die Musik mit solchen Angeboten hinterher jedem zugänglich.
Im Falle des kleinen Festivals „Kammermusik von Frauen“ im Obertsroter „Kirchl“ ist das ein besonderes Glück: Denn wann hört man schon einmal Lieder von Emilie Zumsteeg oder Henriette Bosmans? Und selbst die wesentlich bekannteren Nadja Boulanger und Pauline Viardot sind nach wie vor Raritäten im Konzertsaal.
In den nächsten Tagen kann man unter www.kammermusik-im-kirchl.de (Rubrik: Videos) die Werke des gesamten Wochenendes – für zwei Wochen - nochmals nachhören.
Gregorianische Gesänge in Zeiten des Umbruchs
| Christine Gehringer | Kritik
Nachbetrachtung eines Konzerts mit der Schola Cantorum Tübingen zur Ausstellung "Hans Baldung Grien" in Karlsruhe
Die Schola Cantorum der Universität Tübingen musizierte unter der Leitung von Stefan Morent in der Kunsthalle Karlsruhe. (Foto: Gehringer)
Wer die großartige Ausstellung über den Renaissance-Maler Hans Baldung Grien in der Karlsruher Kunsthalle gesehen hat, der besuchte möglicherweise auch einige der Veranstaltungen aus dem musikalischen Begleitprogramm. Unter normalen Umständen wäre es sogar möglich gewesen, das Thema auch nach Ende der Ausstellung nochmals im Freiburger Augustinermuseum zu vertiefen; schließlich gehörte die südbadische Stadt zu den Wirkungsstätten des großen Meisters.
An dieser Stelle – passend zur vorösterlichen Passionszeit – wollen wir nun nochmals auf ein Konzert mit der Schola Cantorum des musikwissenschaftlichen Institut an der Universität Tübingen unter der Leitung von Stefan Morent zurückblicken: „Kirchenlied und Choral zur Zeit Hans Baldung Griens“.
Eine glückhafte Verbindung
| Christine Gehringer | Kritik
Ettlinger Schubertiade bot Außergewöhnliches: Deutsch-armenisches Programm mit der Altistin Seda Amir-Karayan
Ettlinger Schubertiade mit Musik aus Armenien und Deutschland: Seda Amir-Karayan und Thomas Seyboldt muszierten im Asamsaal. (Foto: Gehringer)
Die armenischen Lieder, so sagt Seda Amir-Karayan, seien für sie wie ein „Personalausweis“, ein Zeichen ihrer Herkunft; die deutsche Musik jedoch zeige, „wo ich hingegangen bin“. Eine Art musikalischer Doppelpass also.
In diesem Sinne war auch das Konzert der Ettlinger Schubertiade gestaltet, und es hätte ebenso wunderbar in ein Motto der vergangenen Jahre gepasst: „Lieder ohne Grenzen“.
Denn Seda Amir-Karayan überschreitet als Altistin und zugleich als ausgebildete Jazzsängerin (sie studierte beim armenischen Komponisten Robert Amirkhanyan) Grenzen gleich in mehrerlei Hinsicht. Sie begeisterte mit Liedern aus ihrer Heimat und mit Werken von Robert Schumann aus dem so genannten „Liederjahr“ 1840: Ein kultureller Austausch der schönsten Art.